Viele offene Fragen GERICHT 18-Jähriger räumt tödlichen Angriff auf Rentner ein VON STEFFEN KOLLER Bremen – Es war ein zufälliges Zusammentreffen, das im August vergangenen Jahres einen 76-jährigen Rentner in Bremerhaven das Leben kostete. Weil der Angreifer, ein 18 Jahre alter Mann, sein Auto „so toll und schön fand, dass er es unbedingt haben wollte“, attackierte er den Senior und verletzte ihn tödlich. Am Mittwoch räumte der Angeklagte die Tat vor dem Bremer Landgericht ein. Doch viele Fragen blieben offen. Erst als es zu spät ist, bemerkt der Mann, dass ihm jemand folgt. Es ist der 1. August 2019, als der damals 76-Jährige mit seinem Wagen in die Keilstraße in Bremerhaven einbiegt, vor seinem Wohnhaus parkt und sich in die Kellerräume begibt. Der seit vergangener Woche unter anderem wegen Mordes angeklagte 18 Jahre alte Bulgare folgt, so hieß es in seiner Einlassung, dem Mann und fordert die Autoschlüssel für den 3er BMW des Rentners. Mehrfach weigert sich der 76-Jährige, die Schlüssel auszuhändigen. Dann, so las es der Verteidiger des Angeklagten, Thomas Domanski, vor, stößt sein Mandant den Mann zu Boden, kniet sich über sein Opfer und schlägt mehrfach auf sein Gesicht ein. Der Mann, der laut Einlassung einen „höchst benommen Eindruck“ macht, wird vom Angreifer zurückgelassen und stirbt Ende August an den Folgen seiner schweren Kopfverletzungen im Krankenhaus. Für die Anklage bestehe „ein direkter kausaler Zusammenhang“ zur Tat. Zudem vermutet die Staatsanwaltschaft hinter dem Angriff Habgier und klagte den Mann deshalb wegen Mordes an. Hinzu kommen die Vorwürfe des schweren Raubes, Diebstahls, gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und Fahrens ohne Führerschein, die sich zum Teil aus der geschilderten Tat ergeben, aber auch aus Vorwürfen, die vor und nach dem 1. August passierten. Die Anklage nennt es Mord, der Angeklagte hingegen den Wunsch, das Auto haben zu dürfen, welches er „so toll und schön fand, dass er es unbedingt haben wollte“, wie Anwalt Domanski es für den 18-Jährigen formulierte. Während der Angeklagte noch in der Nacht auf den 2. August mit dem gestohlenen Wagen durch Bremerhaven rast, laut Staatsanwaltschaft an unübersichtlichen Stellen überholt, andere gefährdet und sich später noch mit Freunden trifft, kämpft der 76-Jährige bereits mit seinem Leben. Am folgenden Tag rammt der Angeklagte einen Porsche, flieht vom Unfallort, flüchtet vor der Polizei und setzt den BMW letztlich an der Zollstelle Roter Sand gegen einen Metallzaun. Kurze Zeit später nehmen Beamte ihn fest. Auch diese Vorwürfe räumte der Mann am Mittwoch ein. Die Tochter des Opfer, die als Nebenklägerin am Prozess teilnimmt und sich womöglich Antworten erhofft hatte, weshalb ihr Vater sterben musste, verfolgte unter Tränen die Einlassung des Angeklagten. Warum das brutale Vorgehen? Warum rief der 18-Jährige keine Hilfe? War es tatsächlich nur die angebliche Bewunderung für das Auto, die den Jugendlichen zu einer solchen Tat trieb? Hatte er Alkohol oder andere Drogen genommen oder leidet er an einer psychischen Erkrankung? Viele Fragen blieben offen, weitere Nachfragen gestattete Anwalt Domanski zunächst nicht. Bis Ende März will die Große Jugendstrafkammer in weiteren zehn Verhandlungstagen Antworten finden und ein Urteil sprechen. Dem 18-Jährigen droht bei einer Verurteilung wegen Mordes eine lebenslange Freiheitsstrafe, die allerdings nicht wirklich lebenslang dauert. Bilder: Der 18-jährige Angeklagte ließ durch seinen Verteidiger, Rechtsanwalt Thomas Domanski (links), verlesen, dass er den Rentner geschlagen und dann sein Auto gestohlen habe. Foto: KOLLER Koller, Steffen